Chronische Einsamkeit

Chronische Einsamkeit

In einer neuen Studie definieren Tobias Krieger und seine Kollegen Einsamkeit. Sie stellen zudem ein Erklärungsmodell chronischer Einsamkeit vor und beschreiben Interventionen zur Reduktion von Einsamkeit.

Einsamkeit verdient mehr Aufmerksamkeit auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. In Studien geben 10-30% der Menschen an, sich manchmal einsam zu fühlen und/oder unter Einsamkeit zu leiden. Aus Scham wird Einsamkeit selten spontan berichtet. Krieger und seine Kollegen definieren in einer neuen Studie Einsamkeit. Sie stellen zudem ein Erklärungsmodell chronischer Einsamkeit vor und beschreiben Interventionen zur Reduktion von Einsamkeit.

Was ist Einsamkeit? 

Einsamkeit ist „ein subjektives aversives Gefühl“. Sie tritt auf, wenn wir zwischen den tatsächlich vorhandenen und den gewünschten sozialen Beziehungen eine Diskrepanz wahrnehmen. Von objektiver sozialer Isolation spricht man dagegen, wenn soziale Kontakte offensichtlich (objektivierbar) fehlen.

Ob jemand sich in einer bestimmten Situation einsam fühlt oder nicht, hängt von Eigenschaften der Person, der Umwelt und von kulturellen Werten und Normen ab. Wir können uns inmitten einer Gruppe einsam fühlen – obwohl wir nicht allein sind. Und wir können ganz allein sein (objektiv isoliert), ohne uns einsam zu fühlen.

Einsamkeitsgefühle können vorübergehend und situationsbedingt auftreten. Vorübergehende Einsamkeit zeigt an, dass das Bindungsbedürfnis unbefriedigt ist. Sie motiviert, „in neue Beziehungen zu investieren oder bestehende Beziehungen zu vertiefen“. Chronisch oder überdauernd ist die Einsamkeit, wenn sich Betroffene die meiste Zeit einsam fühlen.

Chronische Einsamkeit

„Im Gegensatz zum vorübergehenden adaptiven Gefühl von Einsamkeit wird chronische oder überdauernde Einsamkeit als stark beeinträchtigend und gravierend angesehen“, so Krieger und Kollegen.

Einsame Menschen zeigen gewisse Besonderheiten. Eine Überblicksarbeit zeigt, dass sich die soziale Informationsverarbeitung von einsamen und nicht einsamen Personen unterscheidet: Einsame Personen fokussieren die Aufmerksamkeit rascher auf bedrohliche oder mehrdeutige soziale Situationen, erwarten mehr Zurückweisung, schätzen sich und andere negativer ein, erinnern negative Interaktionen besser, weisen eine ausgeprägte Vermeidungsmotivation und eine tiefere soziale Selbstwirksamkeit auf.

Das Modell von Cacioppo & Hawkley beschreibt anschaulich, „wie aus situativ erlebter Einsamkeit ein Teufelskreis chronischer Einsamkeit entstehen kann“. In einer Situation von sozialer Isolation und/oder Zurückweisung fühlt sich eine Person einsam und erlebt einen motivationalen Konflikt. Sie wünscht sich Anschluss und möchte gleichzeitig (erneute) Ablehnung und Verletzung vermeiden. Das Vermeidungsmotiv „führt dazu, dass (ambivalente) soziale Situationen verzerrt und als bedrohlich wahrgenommen werden und resultiert in kontraproduktivem sozialem Verhalten“. Als Konsequenz erlebt die Person weitere negative Interaktionen und die Einsamkeitsgefühle nehmen zu.

Interventionen bei Einsamkeit

Eine Meta-Analyse zu Interventionen bei Einsamkeit findet vier Schwerpunkte: Die Verbesserung sozialer Fähigkeiten und der sozialen Unterstützung, bessere Möglichkeiten für soziale Kontakte und die Arbeit an maladaptiven sozialen Kognitionen. Am effektivsten scheint dabei die Arbeit an den Kognitionen zu sein.

Konkreter wird eine weitere Übersichtsarbeit. Auf der Basis einer modularen kognitiv-behavioralen Theorie chronischer Einsamkeit werden Interventionen für eine individuell angepasste Therapie empfohlen: Psychoedukation zu Einsamkeit, Arbeit an sozialen Kognitionen und an Kognitionen in Bezug auf das Alleinsein, Klären von vergangenen Beziehungserfahrungen und Beziehungserwartungen, Expositionstraining in sozialen Situationen, Training von Emotionsregulation, sozialen Fertigkeiten und Kommunikation, Finden und Planen von sozialen Aktivitäten und Interventionen zur Steigerung von Selbstwert und Selbstmitgefühl.

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