Embodiment und Therapieprozess
Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, dass sich der Therapieprozess nicht nur auf Kognition und Emotionen, sondern auch auf den Körper und den körperlichen Ausdruck konzentriert.
Nicht nur im Alltag sondern auch in der therapeutischen Interaktion zeigt sich Synchronisation im Ausdrucksverhalten und in physiologischen Parametern. In der Therapieforschung finden sich Belege, dass Synchronisation mit der eingeschätzten Beziehungsqualität und dem Therapieerfolg zusammenhängt. In ihrem Beitrag beleuchten Tschacher & Meier (Referenz unten) den Embodiment-Ansatz und erweitern ihn auf soziale und therapeutische Interaktionen.
Was ist Embodiment?
Als Embodiment wird der wechselseitige Einfluss von Psyche und Körper bei kognitiven Prozessen bezeichnet. Sind wir traurig, zeigt sich das in Haltung, Mimik und Gangmuster (Adolph et al. 2021). Werden Gangart und Haltung unauffällig in Richtung eines traurigen Ausdrucks verändert, stellen sich „psychische Charakteristika von Traurigkeit“ ein (Michalak et al. 2009).
Embodiment im sozialen Kontext
Menschen tendieren in sozialen Situationen dazu, ihr Verhalten spontan anzugleichen, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Forschung nennt dieses Phänomen „Nonverbale Synchronie“.
Synchronisierte Körperbewegungen werden mit Variablen wie Körperhaltung, Gesten, Mimik und Kopfbewegungen gemessen. Eine weitere Möglichkeit, Synchronie zu untersuchen sind physiologische Variablen des peripheren Nervensystems.
Synchronie in der therapeutischen Interaktion
Klienten mit sicherem Bindungsstil synchronisieren sich motorisch stärker mit ihren Therapeuten als unsicher gebundene (Ramseyer & Tschacher 2011; Schoenherr et al. 2021). In der Studie von Ramseyer & Tschacher (2011) war Synchronie „mit engerer therapeutischer Allianz und positivem Therapieerfolg“ assoziiert. Zusammenhänge zwischen Bewegungssynchronie und Therapieerfolg fanden auch Altmann et al. (2020), häufiger in kognitiv-behavioralen Therapien als in psychodynamischen Therapien.
Zunehmend wird Synchronie über physiologische Variablen untersucht (Kleinhub et al. 2020). Die Synchronie der sympathischen Aktivierung gemessen als Hautleitfähigkeit hängt zusammen mit der therapeutischen Beziehung und der Empathie des Therapeuten (Karvonen et al. 2016; Marci & Orr 2006). In einer Fallreihe von Psychotherapiestunden fanden Tschacher & Meier (2020) „signifikante Atmungssynchronie und antiphasische (negativ korrelierte) Synchronie der Herzratenvariabilität sowie Hinweise auf Zusammenhänge mit der Einschätzung der Beziehungsqualität, der Befindlichkeit und der in der Stunde erzielten Fortschritte“.
Mehrheitlich weisen die Studienergebnisse auf eine positive Bedeutung von Synchronie hin. In manchen Psychotherapiestudien hingen jedoch hohe Synchroniewerte mit „Nichtbesserung“ zusammen (Paulick et al. 2018).
Fazit
Aus der Sicht der Autoren stützt der Embodiment-Ansatz mit der Erforschung der körperlichen Synchronisierung die Wichtigkeit der therapeutischen Allianz für den Therapieerfolg.
Sie plädieren dafür, dass im Therapieprozess der Blick nicht nur auf Kognition und Emotion gelegt wird, sondern auch auf Körper und Körperausdruck.
Und sie finden, es sei „an der Zeit, dem Embodiment-Aspekt bei der Weiterentwicklung von Interventionen aller Therapieansätze“ gerecht zu werden“.